1/7/2025
Blog
Dorfmensch: Fredi lernt noch
Wiedergabe-Symbol
Video
sounbar-icon
Audio

Fredi Zumbrunn ist Dorfpionier, Wegbereiter für selbstbestimmtes Lernen – und ein Mensch mit unstillbarem Gwunder. Seit Jahrzehnten schafft er Räume, in denen Lernen nicht geprüft, sondern gemeinsam erlebt wird. In diesem Porträt spricht er über Lernen jenseits von Klassenzimmern, über Gemeinschaft als Lernfeld – und darüber, warum auch Reibung dazugehört, wenn Lernen wirklich lebendig sein soll.

Text: Barbara 

Wenn Fredi über Lernen spricht, klingt nichts nach Theorie. Für ihn ist Lernen keine abgeschlossene Phase, sondern etwas, das im Alltag passiert – lebendig, offen, in Bewegung.

Ein altersbedingtes Grundeinkommen verschafft ihm heute den Spielraum, sich dort einzubringen, wo Ideen wachsen. «Ich engagiere mich bei Initiativen, die Altes aufbrechen und Neues bewegen», sagt er. Dazu gehören neben Colearning.org auch die Urbanen Dörfer. Colearning, entwickelt im Coworking Space Effinger in Bern, will selbstbestimmtes Lernen fördern, Lernen sichtbar machen und Menschen jeden Alters Gelegenheit geben, Lernerfahrungen zu teilen. «Eines meiner liebsten Lernfelder ist jedoch das Reisen, das Unterwegssein.» Unbekanntes kann erforscht werden, auf Unvorhergesehenes muss spontan reagiert werden. Das ist Lernfreude pur! 

Lernen befreien

Lernen beginnt für Fredi nicht im Klassenzimmer – sondern im Inneren. Es braucht einen Impuls, Neugier, die Bereitschaft, sich auf etwas einzulassen. «Lernen heisst für mich, einer Spur zu folgen», sagt er. «Ein Phänomen verstehen wollen, experimentieren, (er)finden. Ich erforsche Hintergründe und begnüge mich nicht mit Belehrung.»

Diese Haltung hat sich über Jahre entwickelt – im Kontakt mit formaler Bildung, mit freien Lernräumen und mit Menschen, die sich ihr Lernen wieder aneignen. «Ich lerne noch», sagt Fredi. Nicht aus Bescheidenheit, sondern aus Überzeugung. Für ihn ist klar: Lernen lässt sich nicht planen. Es braucht Raum. Vertrauen. Freiheit. «Wir müssen es uns zurückholen – von einem System, das das Lernen für sich gekapert hat, das selektiert und bewertet, statt Potenziale zu fördern.»

Gemeinschaft als Lernfeld

Fredi interessiert sich nicht nur für individuelles Lernen – sondern besonders für das, was entsteht, wenn Menschen gemeinsam lernen. Nicht in frontalen Formaten, sondern im Austausch, im Tun, in echten Begegnungen. «Menschen lernen von und mit Menschen», sagt er.

Doch damit das gelingt, braucht es mehr als ein gemeinsames Ziel. Es braucht eine Gruppe, die sich wirklich einlässt. «Entscheidend ist, dass sich alle ihren Stärken und Neigungen entsprechend einbringen können – und gehört und gesehen werden», sagt Fredi. «Ohne sichtbare Wirksamkeit der Einzelnen gelingt kein gemeinsames Lernen.»

Für ihn ist klar: Eine Gemeinschaft kann Lernen ermöglichen – oder in gewohnten Mustern stecken bleiben. Es kommt auf die Haltung an. Und auf die Bereitschaft, sich als Gruppe weiterzuentwickeln.

Lernräume mitten im Alltag

Im Urbanen Dorf Webergut ist Fredi Teil der Spurgruppe Lernökosystem. Gemeinsam mit anderen denkt er Lernen nicht als Zusatz, sondern als selbstverständlichen Teil des gemeinschaftlichen Alltags – gleichwertig mit Wohnen, Arbeiten oder Ernährung. «Lernen gehört nicht nur dazu wie Wohnen, Arbeiten, Ernährung und Freizeit», sagt er. «Es ist ein verbindendes Element, wenn es bewusst, mit Freude und Begeisterung gelebt wird.»

Aktuell arbeitet die Gruppe an einer Idee für den Wettbewerb «inspiration» der Burgergemeinde Bern: einer Lernlandkarte, die beiläufiges, generationenübergreifendes Lernen sichtbar und zugänglich macht (mehr dazu im Beitrag «Lerndorf Zollikofen: Wir sind beim Ideenwettbewerb der Burgergemeinde Bern dabei!»). Menschen teilen ihr Wissen, bringen ein, was sie können – ohne Lehrplan, ohne Belehrung. «Schon in unserer nächsten Nähe, in unserer Nachbarschaft, begegnen wir Menschen, öffnen sich Räume oder ergeben sich Situationen, wo gelernt werden kann», sagt Fredi. «Dafür braucht es weder einen Schulungsraum noch Lehrmittel. Es braucht Gelegenheiten.»

Die Spurgruppe will genau solche Gelegenheiten schaffen – mit einer aus einem Kern herauswachsenden Lernnachbarschaft, die sich stetig weiterentwickelt und Jung und Alt im beiläufigen Lernen verbindet.

Lernen durch Reibung

Lernen passiert nicht nur, wenn alles rund läuft – sondern gerade dann, wenn Spannungen auftauchen. Fredi kennt das gut: aus Bildungsprojekten, aus Gemeinschaften – und zuletzt aus dem Urbanen Dorf Melchenbühl. Dort hat er erlebt, wie Ideen ins Stocken geraten können, wenn Erwartungen, Unsicherheiten und strukturelle Fragen aufeinandertreffen.

Solche herausfordernden Situationen erfordern Mut zur Veränderung. «Auch innovative Projekte bewegen sich am Anfang oft nahe am Gewohnten», sagt Fredi. «Damit wirklich Neues entsteht, muss das Denken in alten Bahnen aufgebrochen werden. Neue Wege muss man sich bahnen – das geht nicht ohne Reibung.»

Gerade deshalb gehört Reibung für ihn zum Lernen dazu. Es geht nicht nur um Fortschritt, sondern darum, Spannungen auszuhalten – und an ihnen zu wachsen. «Es sind die Reibungen, die die Fragen sichtbar machen, deren Antworten uns weiterbringen.»

Was ihm hilft, wenn es harzt: der Blick auf das, was bereits gelingt. Sein Rat an alle visionären Pionier*innen: «Verderbt euch die Laune nicht am Grossen, das vielleicht nie kommt – sondern freut euch am Kleinen, das lebt.»

Dorfpionier Fredi Zumbrunn ist viel unterwegs: Sein Leben ist eine Lernreise.

No items found.
1/7/2025
Blog

Mehr News

1/7/2025

Lerndorf Zollikofen: Wir sind beim Ideenwettbewerb der Burgergemeinde Bern dabei!

Blog
Wiedergabe-Symbol
Video
sounbar-icon
Audio
1/7/2025

Von Grau zu Grün: Der Webergut-Garten wächst

Blog
Wiedergabe-Symbol
Video
sounbar-icon
Audio
1/7/2025

Coworking Küche Bern: Bereits ab Oktober 2025 kochen wir gemeinsam Zukunft

Blog
Wiedergabe-Symbol
Video
sounbar-icon
Audio